US-Präsident Donald Trump hat sich vom Atom-Abkommen mit dem Iran zurückgezogen.
Für die EU bekräftigten Frankreich, Großbritannien und Deutschland, an dem Vertrag festhalten zu wollen. Ein "Akt der Tapferkeit", erkennt Josef Janning vom European Council on Foreign Relations im Interview mit watson.de. Wir schauen auf die Gewinner und Verlierer. Warum die EU von Trumps Rückzug profitieren könnte:
Außenpolitisch hat die EU nicht viele Erfolge vorzuweisen. Das Atomabkommen mit dem Iran gehört dazu. Es war unter Federführung der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton vermittelt und 2015 besiegelt worden. Der Iran verpflichtete sich, sein Programm zur Entwicklung von Atomwaffen einzustellen. Im Gegensatz dazu wurden die Wirtschaftssanktionen gegen das Land aufgehoben.
Trump setzte die Wirtschaftssanktionen einseitig für die USA nun wieder in Kraft. De facto bedeutet dies das Ende des Abkommens. Denn die USA belegen Banken und Konzerne, die ihre einseitigen Wirtschaftssanktionen umgehen, mit harten Strafen.
Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bezeichnete es angesichts der von Trump wiedereingesetzten Sanktionen als "nicht hinnehmbar", dass sich die USA als "Wirtschaftspolizist für die Welt" aufführten.
Auch in Deutschland regte sich Kritik. Der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, forderte deutsche Unternehmen auf sich "unmittelbar" von Geschäften im Iran zurückziehen.
Und erntete heftige Kritik aus der deutschen Wirtschaft.
Schätzungen zufolge sind derzeit etwa 120 deutsche Firmen mit eigenem Personal im Iran tätig. Etwa 10.000 deutsche Unternehmen betreiben demnach Handel mit dem Iran, der größte Teil davon mit eigenen Vertretern.
Fakt ist: Der Handel mit dem Iran wird versiegen. Erste Folge: Der Ölpreis zog am Mittwoch kräftig an.
Die Reaktionen aus Teheran kamen prompt. Der iranische Armee-Chef Sejed Abdul Rahim Mussawi hielt es für einen großen Fehler, sich überhaupt mit den USA hingesetzt und das Nuklearabkommen ausgehandelt zu haben. Dies habe große Schaden verursacht, sagte er.
Der iranische Vizepräsident Ishagh Dschahangiri fasste die Lage so zusammen: Er warf den religiösen und machtpolitischen Hardlinern im Land vor, die Krise um das Atomabkommen für einen Sturz der Regierung des Präsidenten Hassan Ruhani nutzen zu wollen. "Die Opposition will mit der Übertreibung der derzeitigen Krise beim Volk den Eindruck erwecken, dass die Regierung nicht mehr Herr der Lage ist", sagte Dschahangiri am Dienstag. Das Ziel der Reformgegner sei es immer schon gewesen, bei einem Scheitern des Atomdeals Ruhanis Regierung zu stürzen, sagte der Vizepräsident.
Von manchen wird gar ein Militärregime gefürchtet, welches das Atomprogramm wieder hochfahren könnte. Sein Land werde die Urananreicherung "energisch" wiederaufnehmen, hatte Außenminister Javad Zarif schon vor Trumps Aufkündigung des Atomdeals gedroht.
"Der Deal ist tot", sagte der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer.
Fakt ist: Kim Jong-Un hat es in Nordkorea vorgemacht. Provokation lohnt. Leider.
Der Iran ist eine Regionalmacht in Nahost. Der große Gegenspieler ist Saudi-Arabien. In Syrien treffen beide Kräfte unmittelbar aufeinander. "Durch ein möglicherweise tödlich getroffenes Iran-Abkommen wird diese Krisenlage nur verschärft", sagte der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger.
Auch Israel sieht seine Sicherheit bedroht.
Zu mehr mochte sich Irans Präsident Hassan Rohani nicht durchringen.
Israels Präsident Benjamin Netanjahu hatte in der Vorwoche in einer Pressekonferenz behauptet, der Iran arbeite weiter an seinem Atomprogramm. Nach versuchten Drohnenangriffen hatte Israel zuletzt mehrfach iranische Stellungen in Syrien aus der Luft angegriffen.
Droht eine Eskalation des Konflikts? Möglicherweise auf dem Schlachtfeld Syrien?
Die Politologen Kevin Kälker und Nico Fuhrig haben das jetzt in ihrem Buch "Israel und das Szenario eines Präventivschlags gegen den Iran" analysiert. Eines ihrer Ergebnisse:
Für die USA gilt dies nicht. Trumps neuer Sicherheitsberater John Bolton, bekannt für seine harte Linie gegenüber dem Iran, führte schon 2015 in einem Gastbeitrag für die "New York Times" aus:
Fakt ist: Einfacher wird die Lage in Nahost durch das Aufkündigten des Atomdeals nicht.
"Der Rückzug aus dem Abkommen ist eine zusätzliche Belastung für die transatlantischen Beziehungen und ein erheblicher Vertrauensverlust für die Bedeutung multilateraler Abkommen", erklärte der Unions-Außenpolitiker und Fraktionsvize Johann Wadephul.
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles sprach von einem "Anschlag auf das transatlantische Bündnis."
Deutliche Worte. Trump zieht sich an vielen Stellen zurück. Mitunter teils berechtigt, wenn er die die europäischen Verbündeten in der Nato zu mehr Engagement – sprich höheren Ausgaben – im Bündnis drängt. Teils fragwürdig, wie im Handelskonflikt mit der EU.
"Das ist eine absolute Dominanzgeste von US-Präsident Trump. Gleichzeitig isolieren sich die USA selbst. Trump verweigert sich der Verantwortung gegenüber Partnern und gegenüber dem Rest der Welt", sagte der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer watson.de
Fakt ist: Trump lässt mit seiner Kündigung keinen Zweifel. America First, internationale Kooperation second.
im Moment scheint Trumps Ausstieg aus dem Atom-Deal nichts Anderes zu sein als eine Katastrophe. Aber überraschen kann diese kaum: Die USA ziehen sich schon seit langem Stück für Stück aus internationalen Verträgen und ihrer Verantwortung zurück. Das Ende des Atom-Deals ist eigentlich nur so etwas wie der folgerichtige Big-Bang, der Europa endgültig zum Umdenken zwingt.
Schon im Vorfeld der Entscheidung ging die EU koordiniert vor. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reiste nach Washington, Kanzlerin Angela Merkel reiste nach Washington. Und Großbritannien schickte Außenminister Boris Johnson.
Auch nach Trumps Entscheidung sprach die EU mit einer Stimme. Macron bekräftigte im Namen Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens das Festhalten am Vertrag mit dem Iran.
Und so erwächst aus dem Scheitern des Iran-Abkommens für die EU auch eine Chance.
Europas neue außenpolitische Aufgabe: Ziel einer multilateralen Weltordnung: Das Einbinden der Staaten in eine Welt von Verträgen und internationalen Institutionen first, Alleingänge wie seitens Trump second.
Ein paar Beispiele für Trumps Rückzüge:
Nun muss die EU für eine wert- und regelbasierte Welt kämpfen.
Erste Beispiele finden sich bereits. Im Freihandelsvertrag mit Kanada will die EU ein unabhängiges Schiedsgericht für Handelsstreitigkeiten etablieren. Erste Vorschläge liegen nun auf dem Tisch. Die Initiatoren, die Jura-Professoren Marc Bungenberg und August Reinisch, regen an, auch China für ein solches Schiedsgericht zu gewinnen. (Das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA war unter anderem daran gescheitert.)
"Die EU muss für rechtlich verbindliche Strukturen auf internationaler Ebene werben. Gerade in Handelsfragen sehe ich mit Blick auf China große Chancen", so Janning vom ECFR.
Der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer ist mit Blick auf China skeptischer. Er sagt: "Du hast keine Chance, also nutze sie."
Das soll nicht fatalistisch klingen, sondern als echte Chance für Europa.
(mit dpa, AFP)