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Italien: Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega Nord bilden die neue Regierung

In this photo taken on Thursday, March 1, 2018, Giuseppe Conte smiles during a meeting in Rome. Italy edged toward its first populist government Monday as the eurosceptic 5-Star Movement and the right ...
Jura-Professor Giuseppe Conte soll neuer Regierungschef in Italien werden. Bild: AP
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Entsteht in Italien das Modell eines modernen Faschismus?

22.05.2018, 14:2823.05.2018, 07:59
philipp löpfe
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Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega Nord werden die neue Regierung bilden. Die Hoffnung, dass sie bald an ihren eigenen Widersprüchen zerbrechen wird, könnte sich als trügerisch erweisen.

Denn Italien steht vor einer Zeitenwende. Premierminister soll Giuseppe Conte werdem, ein weitgehend unbekannter Anwalt und Jura-Professor. Er ist der Kompromisskandidat der beiden starken Männer, von Luigi Di Maio, dem Führer der Fünf-Sterne Bewegung und Matteo Salvini, dem Führer der Lega.

Protest gegen Matteo Salvini (l.) und Luigi Di Maio 
Protest gegen Matteo Salvini (l.) und Luigi Di Maio Bild: dpa

Die beiden haben sich darauf geeinigt, dass Di Maio Wirtschafts- und Salvini Innenminister wird. So können sie die zentralen Anliegen ihrer Partei umsetzen. Cinque Stelle will ein Grundeinkommen für die Armen, die Lega rund 500. 000 Flüchtlinge ausweisen.

"Für jemanden wie Salvini ist eine Finanzkrise keine Bedrohung, sondern ein Versprechen."
Wolfgang Münchau, Kolumnist Financial Times

Sachlich betrachtet hat die neue Regierung kaum eine Chance. Zu unterschiedlich sind die Interessen, die sie unter einen Hut bringen muss. Die Fünf-Sterne sind eine Bewegung, die eher von links kommt. Die Lega Nord kommt von sehr weit rechts. Was die beiden verbindet, ist der Hass auf die EU, die Liebe zu Russlands Staatschef Wladimir Putin und esoterische Anliegen wie ein tiefes Misstrauen gegen das Impfen.

Die neue Regierung hat im liberalen Europa ein sehr schlechte Presse. Der Londoner "Economist" beispielsweise spricht von einer Koalition, die "exzentrisch, idealistisch, fremdenfeindlich und wirtschaftlich illiberal", sei. Kein Wunder also, dass die neue Regierung bereits unter Druck der Finanzmärkte geraten ist. Die Zinsen der italienischen Staatsanleihen steigen.

Die Macht der Finanzmärkte

Die Finanzmärkte können ein sehr mächtiger Gegner einer Regierung sein. James Carville, der ehemalige Wahlkampfleiter von Bill Clinton, pflegte zu sagen: "Im nächsten Leben will ich als Obligationenmarkt auf die Welt kommen. Die haben die wahre Macht." In Italien hat dies auch Silvio Berlusconi zu spüren bekommen. Er musste 2011 nach sanftem Druck von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy zurücktreten, als die Zinsen der italienischen Staatsanleihen nach der Finanzkrise in gefährliche Höhen schossen.

Die vernünftigen Kräfte hoffen deshalb, dass der Anleihenmarkt auch die neue italienische Regierung in die Knie zwingen wird. Di Maio und Salvini wären dann ein kurzes Zwischenspiel gewesen, mehr nicht. Es könnte jedoch auch ganz anders kommen, und das sind die Gründe:

Wirtschaftliche Horrorliste

Italien ist der große Verlierer des Euro und der europäischen Sparpolitik. Das Land hat

  • das geringste Wirtschaftswachstum in der EU.
  • in absoluten Zahlen die höchste Staatsverschuldung
  • ein marodes Bankensystem
  • die höchste Arbeitslosigkeit.In Italien gibt es in absoluten Zahlen gesehen dreimal mehr Erwerbslose als in Griechenland. So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass in Italien auch die Ablehnung des Euro am stärksten ist in Euroland, stärker noch als in Griechenland.

Anders als Griechenland kann Italien auch nicht mit Hilfskrediten der Eurostaaten gerettet geholfen werden. Die italienische Volkswirtschaft ist die viertgrößte in Europa. Zu groß für ein Rettungspaket.

Die neue Regierung will das alles ändern. Sie hat dabei keine Angst vor den Finanzmärkten. Im Gegenteil: "Für jemanden wie Salvini ist eine Finanzkrise keine Bedrohung, sondern ein Versprechen", stellt Wolfgang Münchau in der "Financial Times" fest. "Ein Versprechen, das es ihm möglich macht, aus dem Euro auszutreten."

Salvinis Lust an der Krise

Verfassungsrechtlich kann Italien den Euro nicht verlassen, weil eine Regierung bestehende Verträge achten muss, ausßer in einem Notfall.

Eine Finanzkrise könnte jedoch als solcher Notfall bezeichnet werden.  Das würde es erlauben, dass die neue Regierung in Italien wieder die Lira als Parallelwährung zum Euro einzuführt.

Dieses Szenario ist keineswegs unrealistisch: "Wir wissen, dass Salvini die Bedingungen für einen Ausstieg aus dem Euro schaffen will", warnt Münchau.

Wird Italiens neue Regierung zur Gefahr für den Euro?

Ein Ausstieg Italiens aus dem Euro würde eine Schockwelle in Europa auslösen. Für die Italiener hingegen könnte es ganz anders aussehen. Mit einer schwachen Lira wäre die Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig. Die Regierung könnte ohne Aufsicht der Europäischen Zentralbank ein gewaltiges Defizitprogramm auflegen, so für neue Arbeitsplätze sorgen und damit die Basis legen, um lange an der Macht zu bleiben.

Mit ähnlichen Methoden kurbelte der faschistische Duce Benito Mussolini in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Wirtschaft an.

Die antiliberale Front

Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega sind möglicherweise im Begriff, das Modell für einen Faschismus im 21. Jahrhundert zu entwickeln. Es ist ihnen gelungen, die große Enttäuschung über die liberale Politik für sich zu instrumentalisieren, und sie haben erkannt, dass sich die Wähler um Widersprüche futieren.

Deshalb müssen weder diese Widersprüche noch der Druck der Finanzmärkte das baldige Ende der seltsamen Regierung Italiens bedeuten. "Es ist genauso möglich, dass nationale Politik ein Flickwerk von an sich nicht kompatiblen, sich konkurrenzierenden Ideen wird; und dass sehr unterschiedliche Gruppen sich online treffen und temporäre Allianzen bilden", stellt die Historikerin Anne Applebaum in der Washington Post fest.

"Es ist genauso wahrscheinlich, dass Verantwortungslosigkeit und Irrationalität zu etwas werden, was die Menschen wollen und nicht zurückweisen."
Anne Applebaum, Historikerin
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