China entwickelt sich mit Warp-Geschwindigkeit, will bis 2049 Weltmacht Nummer eins werden – wirtschaftlich, politisch, vielleicht auch militärisch.
Wie machen die Chinesen das?
Über diese Frage haben unzählige Experten schon unzählige Bücher geschrieben. Aber manchmal sind die kurzen Beobachtungen während eines Besuchs fast noch eindrucksvoller.
Unser Autor und t-online Chefredakteur Florian Harms begleitete den Besuch der Kanzlerin bei Chinas Staatschef Xi Jinping.
Für watson schildert er seine 7 wichtigsten Eindrücke von der Reise – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Die Chinesen leben im dynamischsten Land der Welt. Aber vor allem leben sie in ihrem Handy. Fast jeder der 1,4 Milliarden Menschen hat eins, die Hälfte ein Smartphone. Damit machen sie nicht nur, was wir hierzulande so alles mit unseren Smartphones machen: surfen, chatten, liken, lesen, schreiben. Nein, sie bestreiten ihren kompletten Alltag mobil:
China ist
die Werkbank der Welt, kann nur billige, aber einfache Güter produzieren und
ist auf Hightech aus Europa und Amerika angewiesen? Schnee von gestern. Ja, manche Technologien können sie noch nicht.
Aber es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis die Chinesen alles selbst herstellen können und zur Wirtschaftsmacht Nummer eins aufsteigen. Viele der innovativsten Start-ups kommen heute aus China.
Zum Beispiel die Firma iCarbonX in Shenzhen, die an der totalen Vermessung des Menschheit arbeitet: Sensoren am und im Körper tracken sämtliche Körperfunktionen, berechnen und prognostizieren die Entwicklung der Zellen – und übertragen sie aufs Smartphone (und natürlich in eine staatliche Gesundheitsdatenbank).
Dingdong, du hast heute schon sieben Gramm Zucker zu viel gegessen, lass den Schokoriegel lieber liegen! Dingdong, in deiner Galle stimmt was nicht, lass sie mal vom Arzt checken, ist offenbar was Vererbtes (und hey: in der Apotheke da drüben gibt es super Pillen dagegen!).
Dann führt er einem sein Imagevideo vor. Moment, was ist mit dem Datenschutz? Öh, Daten… was? Wie buchstabiert man das? Brauchen sie in China nicht, weil der Staat eh alles über seine Untertanen weiß (was die wiederum wissen). Beängstigend .
China ist ein Riesenland, und in einigen Provinzen herrscht noch bitteres Elend. Aber immer mehr Menschen werden durch das enorme Wirtschaftswachstum aus der Armut in den Mittelstand katapultiert, kaufen sich Fernseher, Autos, Aktien – und ziehen in eine der 85 Millionenmetropolen.
Dort leben sie in einem der unzähligen Wolkenkratzer, arbeiten viel, konsumieren viel. Und kurbeln die Wirtschaft so weiter an. Häuser, Fabriken, Einkaufszentren, Flughäfen werden in Rekordzeit hochgezogen: Das Politbüro befiehlt, die Provinzgouverneure, Behörden und staatlich kontrollierten Unternehmen setzen’s um. Ein jahrelanges Chaos wie beim Berliner Flughafen oder Stuttgart 21? Undenkbar in China.
Chinesisches Essen ist unübertroffen. Was nicht nur an der Zubereitung
liegt, sondern auch daran, dass alles, was Flora und Fauna zu bieten haben, verarbeitet
wird. Wirklich alles. Allerdings erkennt man den ursprünglichen
Aggregatszustand meist nicht mehr.
(Ja, war köstlich.)
China besitzt einen Polizeistaat und eine starke Armee. Oder besser: Der Polizeistaat und die Armee (und die Partei) besitzen China. Tausende Menschen, darunter viele politische Häftlinge, darben in Knästen oder Arbeitslagern. Kein Land richtet mehr Menschen hin.
In den Großstädten wacht an jeder zweiten Ecke ein Polizist, und wenn Soldaten der drei Teilstreitkräfte aufmarschieren, zum Beispiel beim Besuch eines Staatsgastes, kommt man ihnen lieber nicht in die Quere.
Das hat etwas Martialisches. Aber es macht auch jedem Untertan (und jedem Ausländer) klar, wer hier das Sagen hat.
Für westliche Sinne mögen chinesische Inneneinrichtungen gewöhnungsbedürftig sein, aber klar ist: deko-technisch macht den Chinesen keiner was vor.
…und auch politische Inszenierung beherrschen sie meisterhaft.
Die Punkte
eins bis sechs waren selbstverständlich nur knappe Einblicke. Tatsächlich ist China so vielfältig, interessant
und überraschend, dass man am besten selbst hinfährt und sich ein eigenes Bild macht. Zur Vorbereitung empfehle ich, nein, keine App, sondern jetzt doch ein
Buch. Klein, aber fein: "China für die Hosentasche", von Francoise Hauser.