Weltmacht bis 2049? Chinas Erfolg hat 6 Gründe (und wir haben einen
Geheimtipp)
26.05.2018, 15:5228.05.2018, 11:36
Florian Harms, peking
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China
entwickelt sich mit Warp-Geschwindigkeit, will bis 2049 Weltmacht Nummer eins
werden – wirtschaftlich, politisch, vielleicht auch militärisch.
Wie machen die Chinesen das?
Über diese
Frage haben unzählige Experten schon unzählige Bücher geschrieben. Aber manchmal sind die kurzen Beobachtungen
während eines Besuchs fast noch eindrucksvoller.
Unser Autor und t-online Chefredakteur Florian Harms begleitete den Besuch der Kanzlerin bei Chinas Staatschef Xi Jinping.
Für watson schildert er seine 7 wichtigsten Eindrücke von der Reise – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Die Chinesen leben im dynamischsten Land
der Welt. Aber vor
allem leben sie in ihrem Handy. Fast jeder der 1,4
Milliarden Menschen hat eins, die Hälfte ein Smartphone. Damit machen sie nicht
nur, was wir hierzulande so alles mit unseren Smartphones machen: surfen,
chatten, liken, lesen, schreiben. Nein, sie bestreiten ihren kompletten Alltag mobil:
Elektronisches Bezahlen: App öffnen, Bluetooth an – fertig. Bargeld?
Kreditkarte? Ist doch nur was für rückständige Westler.
Total vernetzt sein: unterwegs checken, ob es zu Hause vielleicht gerade
durchs offen gelassene Fenster reinregnet? Kein Thema – der permanente Livestream zu den
Überwachungskameras in der Wohnung macht‘s möglich.
Ein besserer Mensch werden. Wie? So: Alle Bürger werden einem totalitären "Sozialpunktesystem" unterworfen: Wer fleißig arbeitet und der Obrigkeit
gehorcht, bekommt Punkte gutgeschrieben. Wer Gesetze missachtet, politisch
aufmuckt oder über eine rote Ampel geht, kriegt Punkte abgezogen. Und wer
studieren, Karriere machen oder sonstige Privilegien genießen will, braucht ein
gut gefülltes Punktekonto. Das Leben
wird zum permanenten Wettbewerb, Hunderte Millionen Menschen werden für
einen moralisch konformen Lebenswandel im Sinne der Kommunistischen Partei gedrillt.
Und das Erstaunliche ist: Es funktioniert weitgehend reibungslos. Der
Belohnungseffekt, der permanente Wirtschaftsaufschwung, ein akribisch
organisierter Polizeistaat und wohl auch der Konfuzianismus mögen dazu
beitragen.
Auf Facebook, Twitter, Instagram
verzichten: alles
verboten. Dafür gibt es eigene Dienste, die selbstverständlich strikt zensiert
werden. Experten nennen das auch die "Great Chinese Firewall".
So kann im Hotel schon einmal so ein Zettel auf einen warten:
China ist
die Werkbank der Welt, kann nur billige, aber einfache Güter produzieren und
ist auf Hightech aus Europa und Amerika angewiesen? Schnee von gestern. Ja, manche Technologien können sie noch nicht.
Deshalb freuen sie sich über deutsche Investoren und lächeln freundlich, wenn VW-Chef Herbert Diess vorbeischaut…
…oder wenn
die Bundeskanzlerin ein Siemenswerk
besucht.
Aber es ist
vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis die Chinesen alles selbst herstellen können und zur Wirtschaftsmacht Nummer eins aufsteigen. Viele der innovativsten
Start-ups kommen heute aus China.
Zum Beispiel die Firma iCarbonX in Shenzhen, die an der totalen Vermessung des Menschheit
arbeitet: Sensoren am und im Körper tracken sämtliche Körperfunktionen,
berechnen und prognostizieren die Entwicklung der Zellen – und übertragen sie
aufs Smartphone (und natürlich in eine staatliche Gesundheitsdatenbank).
So sieht es vor dem Computer aus:
So im Computer:
Dingdong, du hast heute schon sieben Gramm
Zucker zu viel gegessen, lass den Schokoriegel lieber liegen! Dingdong, in deiner Galle stimmt was
nicht, lass sie mal vom Arzt checken, ist offenbar was Vererbtes (und hey: in
der Apotheke da drüben gibt es super Pillen dagegen!).
Der Vizechef von iCarbonX frohlockt:
"Wir sammeln sämtliche Daten,
die wir kriegen können"
Dann führt er einem sein
Imagevideo vor. Moment, was ist mit dem Datenschutz? Öh, Daten… was? Wie buchstabiert
man das? Brauchen sie in China nicht, weil der Staat eh alles über seine
Untertanen weiß (was die wiederum wissen). Beängstigend .
So sieht das im Image-Video des Unternehmens aus:
Video: watson/Florian Harms
China ist
ein Riesenland, und in einigen Provinzen herrscht noch bitteres Elend. Aber immer mehr Menschen werden durch das enorme
Wirtschaftswachstum aus der Armut in den Mittelstand katapultiert, kaufen sich
Fernseher, Autos, Aktien – und ziehen in eine der 85 Millionenmetropolen.
Dort leben sie in einem der unzähligen
Wolkenkratzer, arbeiten viel, konsumieren viel. Und kurbeln die Wirtschaft so
weiter an. Häuser, Fabriken, Einkaufszentren, Flughäfen werden in Rekordzeit hochgezogen: Das Politbüro
befiehlt, die Provinzgouverneure, Behörden und staatlich kontrollierten
Unternehmen setzen’s um. Ein jahrelanges Chaos wie beim Berliner Flughafen oder
Stuttgart 21? Undenkbar in China.
Chinesisches Essen ist unübertroffen. Was nicht nur an der Zubereitung
liegt, sondern auch daran, dass alles, was Flora und Fauna zu bieten haben, verarbeitet
wird. Wirklich alles. Allerdings erkennt man den ursprünglichen
Aggregatszustand meist nicht mehr.
Oder siehst du in diesem Ding hier noch den Fisch?
(Ja, war köstlich.)
China besitzt einen Polizeistaat und
eine starke Armee.
Oder besser: Der Polizeistaat und die Armee (und die Partei) besitzen China. Tausende
Menschen, darunter viele politische Häftlinge, darben in Knästen oder
Arbeitslagern. Kein Land richtet mehr Menschen hin.
In den
Großstädten wacht an jeder zweiten Ecke ein Polizist, und wenn Soldaten der
drei Teilstreitkräfte aufmarschieren, zum Beispiel beim Besuch eines
Staatsgastes, kommt man ihnen lieber nicht in die Quere.
So sieht ein Soldaten-Aufmarsch von Nahe aus:
Video: watson/Florian Harms
Das hat
etwas Martialisches. Aber es macht auch jedem Untertan (und jedem Ausländer)
klar, wer hier das Sagen hat.
Wobei nicht
nur Soldaten marschieren, sondern durchaus auch Beamte.
Video: watson/Florian Harms
Für
westliche Sinne mögen chinesische
Inneneinrichtungen gewöhnungsbedürftig sein, aber klar ist: deko-technisch
macht den Chinesen keiner was vor.
Hier etwa in Shenzhen:
…und auch politische Inszenierung beherrschen sie
meisterhaft.
Hier eine Szene von Angela Merkels Besuch in Peking:
Die Punkte
eins bis sechs waren selbstverständlich nur knappe Einblicke. Tatsächlich ist China so vielfältig, interessant
und überraschend, dass man am besten selbst hinfährt und sich ein eigenes Bild macht. Zur Vorbereitung empfehle ich, nein, keine App, sondern jetzt doch ein
Buch. Klein, aber fein: "China für die Hosentasche", von Francoise Hauser.
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