Die Grünen erleben in den Umfragen einen neuen Höhenflug. Nicht nur in Bayern. Viele führen das auch auf die neue Doppelspitze in der Bundespartei zurück. Seit Anfang des Jahres führt Annalena Baerbock die Partei, gemeinsam mit Robert Habeck. Baerbocks großes Thema: sozialer Zusammenhalt.
Wer ist die neue Frau an der Spitze der Partei? 3 Fakten.
Annalena Baerbock, 37, verheiratet, ist Mutter zweier Kinder. Sie hat Politik und Völkerrecht studiert, in Hamburg und London. Sie hat in Brüssel im Europaparlament gearbeitet, sitzt im Bundestag. Aber vor ihrer Kandidatur zu Grünen-Chefin im Januar wollte eine namhafte deutsche Zeitung erstmals nichts zu Klimapolitik oder ländlichem Raum wissen, sondern fragte nach den kleinen Kindern. Eine typische Journalistenfrage, wie sie Männer nie zu hören bekommen.
Baerbock wurde im Januar zur Grünen-Ko-Chefin gewählt. Gemeinsam mit Robert Habeck, dem Grünen-Leuchtturm – ehemaliger Kinderbuchautor und Ex-Landesminister von Schleswig-Holstein. Baerbock damals selbstbewusst:
Die Wahl war eine kleine Sensation. Baerbock und Habeck gehören beide dem Realo-Flügel der Partei an. Bei den Grünen galt bis dahin ein ehernes Prinzip. Zwei links, zwei rechts.
Wie Simone Peter. Die Frau vom Linken-Flügel hatte davor mit Cem Özdemir die Partei geführt. Die beiden verband wenig. Nicht nur politisch. Kommunikation: null!
Habeck und Baerbock haben das geändert. Die beiden bezogen in der Grünen-Zentrale in Berlin sogar ein gemeinsames Büro.
Baerbock war dritte bei den deutschen Jugendmeisterschaften im Trampolinspringen. Das darf jetzt in keinem Porträt fehlen. Im Austauschjahr in den USA hat sie Fußball gespielt. Sie gilt als Ostdeutsche, weil sie mit der Familie in Potsdam wohnt. Doch sie kommt aus Hannover. Das Positive: Dreißig Jahre nach der deutschen Einheit spielt Ost-West in der Generation der Millennials keine große Rolle mehr.
Auch manch andere Sache sieht Baerbock entspannter. Die Grünen stehen unter dem Verdacht der Über-Moral, doch Baerbock wirkt entkrampfter. Das führt dann auch dazu, dass die Argumentation einen Halbsatz länger wird. Zum Thema Kohleausstieg etwa:
Das klang schon mal Besserwisserischer bei den Grünen. Nur einmal mochte sich Baerbock gar nicht zurückhalten. Im ZDF zeigte sie JU-Chef Paul Ziemiak den Mittelfinger – als politische Reaktion.
Zwischen Baerbock und Habeck gibt es eine Art Arbeitsteilung.
Die Kritik am großen Habeck kam prompt. Ricarda Lang, Chefin der Grünen Jugend, sagte im watson-Interview.
Die Grünen galten bisher als Partei der linken Besserverdiener. Jetzt entdecken sie plötzlich das Thema Soziales für sich. Spannend in Zeiten der Wutbürger, die sich auch aus sozialer Benachteiligung speist.
Die Debatte ist zurück. Nicht nur in Deutschland. Gut möglich, dass Baerbock in der Arbeitsteilung mit Heimatdichter Habeck das zukunftsträchtigere und spannendere Thema für sich eingecheckt hat.
(dpa, afp, rtr)